PROGRAMM
SONNTAG – 06. MÄRZ 2016 |
17.00 Uhr
Wolfenbüttel: St. Trinitatiskirche
„Die dunkle Seite des Götterlieblings
Wolfgang Amadeus Mozart“
W. A. Mozart gilt heute vielen immer noch als Inbegriff
des Unbeschwerten, Heiteren, Beschwingten. Doch gerade in seinen
Moll-Werken begegnet uns seine emotional wohl ergreifendste Musik,
mit der Mozart düstere Welten, schicksalhafte Fügungen
und dunkle Obsessionen charakterisiert. Diese, die dunkle Seite,
die die Abgründe hinter einer oberflächlichen Heiterkeit
aufzeigt, möchte das Kammerorchester Wolfenbüttel in
den Mittelpunkt dieses Konzerts stellen.
Eines der besten Beispiele für das Gesagte
ist das Klavierkonzert Nr. 20 d-Moll
KV 466 aus dem Jahr 1785. Es ist das erste Instrumentalkonzert
Mozarts in einer Moll-Tonart, und zwar d-Moll, einer Tonart, die
Mozart wenige Jahre später als Grundtonart für sein
Requiem wählen wird. Die Oper „Don Giovanni”,
deren Ouvertüre (s.u.) zu Beginn des Konzerts erklingt, ist
wie auch die sogenannte „Rachearie” der Königin
der Nacht aus der „Zauberflöte” ebenfalls in
der d-Moll-Welt angesiedelt, einer Welt, die bei Mozart für
Finsternis, Tod, dunkle Leidenschaften und schicksalhafte Fügungen
steht.
So machen beispielsweise schon die ersten Takte
des Klavierkonzerts deutlich: Hier gibt es nichts Helles, Strahlendes,
klar Strukturiertes – die hohen Streicher breiten mit Synkopen
in tiefer Tonlage einen eher schwankenden Boden aus, ein klar
greifbares übergeordnetes Thema ist nicht erkennbar. Zudem
sorgen die Celli und Kontrabässe mit aus der Tiefe aufsteigenden
grollenden Schleifern für eine geheimnisvolle, düstere
Atmosphäre.
Auch im zweiten und dritten Satz des Konzerts kommt
das Dunkle, Dämonische immer wieder zum Vorschein, beispielsweise
im g-Moll-Mittelteil, der ohne Vorwarnung in die Idylle des 2.
Satzes einbricht, oder im Thema des 3. Satzes, das in einer aufwärts
gerichteten Brechung des d-Moll-Dreiklangs davonstürmt. Insofern
erscheint der D-Dur-Schluss des Finales nach allem, was vorausgeht,
höchst zerbrechlich.
Gattungsgeschichtlich ist das Klavierkonzert von
großer Bedeutung, weil hier das Verhältnis von Soloinstrument
und Orchester erstmalig im Sinne einer weitgehenden Gleichberechtigung
beider Elemente gestaltet wird. Das um Pauken und Trompeten erweiterte
Orchester hat nicht mehr lediglich eine Begleitfunktion, sondern
eine viel exponiertere Rolle inne als bei früheren Solo-Konzerten.
Dabei erhalten insbesondere die Bläser durch eigenständige
Beteiligung am musikalischen Geschehen ein immer stärkeres
Gewicht. Auf diese Weise führt Mozart die Gattung Klavierkonzert
ganz aus der Sphäre der bloß gefälligen Gebrauchsmusik
heraus.
Die Oper „Don Giovanni”
ist Ende Oktober 1787, also ein knappes halbes Jahr nach dem Tod
des Vaters Leopold Mozart, in Prag uraufgeführt worden und
sicherlich auch zu verstehen als Auseinandersetzung mit der geliebten,
aber auch zeitlebens übermächtig erscheinenden und den
Weg des Sohnes als freischaffender Musiker in Wien kritisch verfolgenden
Vaterfigur.
Der erste Teil (Andante) der zweiteiligen Ouvertüre
steht wie das Klavierkonzert Nr. 20 in d-Moll. Er wird eröffnet
durch zwei mächtige synkopische Akkorde des Orchestertuttis
im Abstand einer abfallenden Quarte (d – A, harmonisch gesprochen:
Tonika - Dominante). Mit diesem Motiv und den folgenden, die aus
dem Schlussakt der Oper stammen, nimmt Mozart das Ende mit Don
Giovannis Untergang, Tod und Höllenfahrt vorweg, bevor der
zweite Teil (Allegro vivace) in D-Dur (!), vor überquellender
Lebenslust pulsierend, unterschiedliche Charakterzüge Don
Giovannis musikalisch schildert: drängende Leidenschaft,
Zügellosigkeit, Leichtfertigkeit.
Wie die Niederschrift des Klavierkonzerts in d-Moll
so ist auch die der Don-Giovanni-Ouvertüre von Mozart erst
in der Nacht vor der Uraufführung zu Papier gebracht worden.
Bedenkt man, dass am Tag dann jede einzelne Orchesterstimme kopiert
(von Hand abgeschrieben!) werden musste, wird deutlich, dass zum
Proben keine Zeit mehr war. So wird auch verständlich, dass
Mozart nach der Uraufführung feststellen musste, einige der
Noten seien beim Spielen doch „unter die Pulte gefallen”.
Über die Entstehungsgeschichte der Sinfonie
Nr. 38 D-Dur KV 504 ist wenig bekannt. Mozart vollendet
sie am 6. Dezember 1786, an diesem Tag trägt er sie ins eigene
Werkverzeichnis ein. Ob er zu diesem Zeitpunkt schon an eine Uraufführung
in Prag gedacht hat, ist unbekannt Kurz danach wird er jedoch
eingeladen, in Prag eine Aufführung der „Hochzeit des
Figaro” zu dirigieren. Einen Tag nach der äußerst
erfolgreichen Aufführung des „Figaro” findet
am 19. Januar 1787 dann auch die Uraufführung der Sinfonie
statt. Aus dieser Tatsache rührt ihr Name: „Prager
Sinfonie”. Auffällig sind thematische und charakterliche
Ähnlichkeiten mit den beiden sie zeitlich umrahmenden Opern.
In Einleitungssatz und Finale lassen sich deutliche Bezüge
zu „Figaros Hochzeit” herstellen. Vor allem in der
weit ausladenden, spannungsgeladenen langsamen Einleitung und
im Seitenthema des 2. Satzes spürt man die Nähe zum
„Don Giovanni”, der zehn Monate später ebenfalls
in Prag uraufgeführt wurde (s.o.). Wie die Opernouvertüre
beginnt die langsame Einleitung des 1. Satzes mit einem mächtigen
Akkord des gesamten Orchesters auf dem Ton d, allerdings im Gegensatz
zur Ouvertüre im Unisono, das Tongeschlecht (Dur –
Moll) bleibt unbestimmt. Mit einem zögerlich im Piano nach
oben geführten gebrochenen Dreiklang schimmert die Grundtonart
D-Dur erstmals durch, bevor allerdings umgehend die „Eintrübung”
zur parallelen Moll-Tonart (h-Moll) erfolgt. Im Folgenden wird
zunächst die aus dem „Don Giovanni” bekannte
düstere Atmosphäre in einem erneuten Anlauf mit mächtigen
d-Moll-Akkorden wieder hergestellt. Bis zum Ende der Einleitung
bleibt unklar, wohin das Blatt sich harmonisch wenden wird. Erst
mit dem Eintritt des 1. Themas des 1. Satzes im Allegro setzt
sich – zumindest vorerst – D-Dur als Grundtonart durch.
Das festlich Strahlende, Heitere von D-Dur scheint sich jedoch
weder hier im ersten noch in den beiden anderen Sätzen dauerhaft
zu etablieren. Immer wieder werden z. B. die Themen, zunächst
in Dur vorgetragen, mit ihren Moll-Varianten konfrontiert, wodurch
besondere aufregende Färbungen entstehen. Im Sinne unseres
Konzerttitels kann man sicherlich nicht behaupten, die „Prager
Sinfonie” repräsentiere die dunkle Seite W. A. Mozarts,
in ihrer Grundhaltung erscheint sie durchaus strahlend hell, niemals
aber gänzlich frei von Eintrübungen und Schatten.
Die „Prager Sinfonie” stellt einen deutlichen
Qualitätssprung in Mozarts sinfonischem Schaffen dar. Vor
allem in der Anwendung streng kontrapunktischer Verarbeitungstechniken
in Verbindung mit der Formwelt der Klassik steht die Sinfonie
den drei „Großen” (Es-Dur KV 543, g-Moll KV
550, C-Dur „Jupiter” KV 551) in nichts nach. Gerätselt
wird von Fachleuten an der Dreisätzigkeit der Sinfonie, hatte
sich doch in Wien zu dieser Zeit die Viersätzigkeit unter
Einbeziehung des Menuetts als vorletztem Satz schon lange durchgesetzt.
Unter den verschiedenen Vermutungen und Erklärungsversuchen
erscheint aufgrund der angesprochenen kompositorischen Qualität
der Sinfonie der Deutungsansatz D. Hollands am überzeugendsten.
Dieser geht vom Versuch Mozarts aus, eine ganz neuartige Werkkonzeption
auszuprobieren, nämlich „drei sehr dicht gearbeitete
Sonatensätze ohne stilistisches Gefälle, das durch ein
Menuett unweigerlich hinzukäme, nebeneinander zu stellen.”
Vielleicht hat aber auch der große Mozart-Exeget Alfred
Einstein Recht gehabt mit seiner Meinung, Mozart habe „in
den drei Sätzen alles gesagt, was zu sagen ist ...”
Der Pianist Martin Bujara
wurde 1959 in Salzgitter geboren und erhielt mit 5 Jahren seinen
ersten Klavierunterricht bei der Konzertpianistin Nina Iwascheff-Blochina.
In den Jahren 1967 – 1978 wurde er mehrfach 1. Preisträger
beim Grotrian – Steinweg – Klavierwettbewerb und bei
Jugend musiziert (Landesebene).
Nach dem Studium an der Staatlichen Hochschule für
Musik und Theater Hannover in der Klavierklasse von Professor
Karl-Heinz Kämmerling mit Abschlüssen und Diplom als
Instrumentallehrer, der Konzertreifeprüfung sowie 1988 mit
dem Examen der Soloklassen betätigt er sich als Solist, Kammermusiker
und Liedbegleiter bei Konzerten in Deutschland, den USA, England,
UdSSR und Finnland. Bekannt sind auch Rundfunkaufnahmen für
den NDR und WDR
Karten 10,- Euro / Ermäßigt 8,-
Euro / Kinder frei
Weitere Infos unter:
www.kammerorchester-wolfenbuettel.de
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